„ChatGPT verrät dich“

Oder wie man mit Angst Geld verdient.


„ChatGPT verrät dich“ → Das ist die Schlagzeile, die gerade auf Social Media kursiert – meist gefolgt von einem Verkaufslink zu einer Tool-Liste oder einem Download.
Hier das Beispiel, das mich inspiriert hat:

Quelle: Instagram

Was dieses Angebot deutlich zeigt: Angst ist ein Geschäftsmodell.
Die Botschaft lautet sinngemäß: „Wenn du mit ChatGPT arbeitest, ist dein Text verräterisch – und das kann man erkennen.“
Das klingt bedrohlich. Und soll vor allem eins: verkaufen.

Was ich vorweg betonen möchte:
Ich begrüße es ausdrücklich, dass KI heute hilft, sprachliche Hürden zu senken.
Lange war Sprache ein sozialer Filter: Wer sich gewandt ausdrücken konnte, wurde ernst genommen. Wer mit Unsicherheiten beim Schreiben kämpfte, wurde ausgegrenzt, oft sogar herabgewürdigt.

Nicht selten sah ich in Diskussionen, dass Menschen nicht auf Inhalte reagierten, sondern auf Rechtschreibfehler um andere abzuwerten. Das ist klassisches ad hominem. Kein echtes Argument, aber ein Angriff auf die Person.

Viele greifen auf Tools wie ChatGPT zurück, um Gedanken besser in Form zu bringen.
Das ist kein Betrug, sondern ein Werkzeug, wie ein Duden, ein Synonymwörterbuch oder eine Lektorin. Und dennoch:
Für viele wäre es peinlich, wenn herauskäme, dass ein Text nicht allein von ihnen stammt. Genau diese Unsicherheit nutzen einige, um mit Warnungen Klicks – und mit Panik Downloads – zu erzeugen.

Was ist wirklich dran an „ChatGPT verrät dich“?

Nichts!


Der Gedankenstrich

Ja, ChatGPT nutzt gern den langen Gedankenstrich „–“.
Aber das ist schlicht korrektes Deutsch. Ich verwende ihn selbst seit Jahren.
Der Unterschied ist technisch, nicht verräterisch:

  • Kurzer Bindestrich („-“) = Wortverbindung → Beispiel: Hör-Spiel
  • Langer Gedankenstrich („–“) = Einschub oder gedankliche Pause

Dass viele den langen Strich nicht benutzen, liegt daran, dass er nicht direkt auf der Tastatur vorhanden ist. Aber daraus zu schließen: „Gedankenstrich = Bot“ ist so sinnvoll wie: „Wer sauber zitiert, muss ein Roboter sein.“

Hier eine Übersicht (erstellt von ChatGPT):


„Typische KI-Wörter“ wie „beleuchten“ oder „ermöglichen“

Auch diese Behauptung ist absurd. Begriffe wie „beleuchten“, „vertiefen“ oder „ermöglichen“ gehören seit Jahrzehnten zum Wortschatz guter Sprache, ob in Artikeln, Fachtexten, Essays oder sogar Behördensprache.

Wenn jemand glaubt, ein Text sei verdächtig, nur weil er analytische oder gehobene Begriffe enthält, dann sagt das mehr über das Sprachgefühl der Person aus als über den Text.

Denn:

  • „Beleuchten“ ist Alltag im Journalismus
  • „Vertiefen“ ist Standard in jeder Argumentation
  • „Ermöglichen“ steht in jedem zweiten politischen Grundsatzpapier

Diese Wörter sind nicht KI – sie sind gebildet. Wenn man ihnen misstraut, müsste man halbe Redaktionen, Feuilletons, Bildungseinrichtungen und LinkedIn-Profiltexte unter Bot-Verdacht stellen.


„Versteckte Codesprache“ – oder einfach nur: Formatierung

Manche Marketing-Videos behaupten, KI-Texte seien durch eine geheime Codesprache entlarvbar, etwa durch sogenannte „Zero Width Characters“, spezielle Leerzeichen oder Metazeichen. Klingt nach Matrix, ist aber bei genauerem Hinsehen: ganz normale Formatierung.

Selbst Word oder Google Docs nutzen solche Zeichen im Hintergrund, z. B. für automatische Listen, Silbentrennung oder Umbrüche. Diese Formatierungszeichen haben nichts mit KI zu tun, sondern mit Textverarbeitung. Sie entstehen nicht durch KI, sondern durch Copy-Paste-Vorgänge zwischen Systemen, etwa von HTML in ein CMS, oder aus Web-Editoren in Social Media.

Dass solche Zeichen in einem Text auftauchen können, ist also kein Beweis für künstliche Intelligenz – sondern maximal ein Hinweis auf digitale Texteffizienz. Oder, wie man es auch sagen könnte:
Wer überall „versteckte Botsprache“ sieht, hat vermutlich selbst zu oft Marketing-Seminare gehört und zu selten Word geöffnet.

Zusammenfassung

Nicht ChatGPT verrät dich – Angstmacherei tut es.
Denn wer Menschen verunsichert, um ihnen ein Tool gegen die eigene Unsicherheit zu verkaufen, verrät vor allem eins:
Die eigenen Absichten.


💡 Quick-Tipp: So entfernst du alle versteckten KI-„Spuren“, ohne einen Cent auszugeben.

1. Text von ChatGPT kopieren
2. In einen Texteditor einfügen (z. B. Windows Editor / Notepad)
3. Von dort aus erneut kopieren und weiterverwenden
Ergebnis:
Alle Formatierungen, Sonderzeichen oder unsichtbaren „Zero Width Spaces“ sind entfernt – der Text ist clean.

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